Bewertung psychischer Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung
Steffen Ibrom
Muss die Gefährdungsbeurteilung Angaben zu psychischen Belastungen enthalten? Wenn ja, ab welcher Schutzstufe und wie ist dies praktisch umsetzen?
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Mit den Teilnehmenden des Fachkundekurses zur Biostoffverordnung (BioStoffV) der AGCT zu Beginn dieses Monats wurde u.a. besprochen, welche Anforderungen die BioStoffV zur Bewertung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz stellt. Die folgenden Fragen stellen sich dabei in der Praxis:
- Welche Vorgaben sind umzusetzen und wen trifft die Verantwortung zur Umsetzung?
- Ist die Verpflichtung beschränkt auf Tätigkeiten in höheren Schutzstufen (bspw. Schutzstufe 3 oder 4)?
- Bestehen Vorgaben hinsichtlich der Fachkunde der Person, die die Bewertung vornimmt?
- Welche Vorteile – abseits der Erfüllung gesetzlicher Pflichten – bietet eine regelmäßige Betrachtung psychischer Belastungsfaktoren?
Welche Pflichten – wessen Verantwortung – welche Einschränkungen?
Bereits aus der Regelung in § 4 Abs. 3 Nr. 5 a) BioStoffV können einige Fragen beantwortet werden:
- Die Verantwortung trifft den Arbeitgeber. Dieser kann sich allerdings fachkundig beraten lassen, falls er nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse verfügt (§ 4 Abs. 1 S. 3 BioStoffV).
- Eine Einschränkung bspw. auf hohe Schutzstufen erfolgt nicht. Auch bereits für Tätigkeiten mit Biostoffen ohne Schutzstufenzuordnung (so bspw. in der Abfallwirtschaft) sind psychische Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung zu bewerten.
- Psychische Belastungsfaktoren sind Teil der „tätigkeitsbezogenen Erkenntnisse“. Zum einen kann eine Bewertung damit erst erfolgen, wenn die Tätigkeiten in der Gefährdungsbeurteilung beschrieben sind. Zum anderen kann sich damit eine psychische Belastung nicht nur durch die Biostoffe ansich, sondern bspw. auch durch verwendete Arbeitsmittel oder die Arbeitsverfahren ergeben. So kann etwa auch das dauerhafte Tragen von persönlicher Schutzausrüstung eine psychische Belastung begründen. Erkenntnisse zu psychischen Belastungen sind damit auch bei den Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen.
Die Regelung entspricht damit dem allgemeinen Arbeitsschutz; § 5 Abs. 3 Nr. 6 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sieht eine Bewertung psychischer Belastungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung vor. Sie ist deshalb u.a. auch bei der Beurteilung von Tätigkeiten in Büros umzusetzen.
Welche Fachkunde?
Als Teil der Gefährdungsbeurteilung ist auch die Betrachtung psychischer Belastungen fachkundig durchzuführen (§ 4 Abs. 1 S. 2 BioStoffV). Eine abweichende Fachkundeanforderung zur Bewertung psychischer Belastungen enthält die BioStoffV nicht. Es ist deshalb anzunehmen, dass eine Person, die fachkundig i.S.d. § 2 Abs. 11 BioStoffV zur Erstellung der Gefährdungsbeurteilung ist, auch fachkundig ist, um in der Gefährdungsbeurteilung psychische Belastungen zu beurteilen.
Die Fachkundeanforderung wird konkretisiert durch die TRBA 200; auch diese enthält zur Beurteilung psychischer Belastungen keine gesonderten Vorgaben.
Die Vorteile:
Psychische Erkrankungen sind nicht zuletzt auch bei krankheitsbedingten Ausfällen der Beschäftigten ein nicht zu unterschätzender Faktor. Ausweislich des Berichts der DAK-Gesundheit zum Krankenstand 2023 waren im vergangenen Jahr 323 Fehltage je 100 Beschäftigte auf psychische Erkrankungen zurückzuführen – ein Anstieg von 7,4 Prozent im Vorjahresvergleich. Gerade psychische Erkrankungen lösen dabei längerfristige Krankschreibungen aus.
Auch abseits der o.g. Vorgaben soll die Betrachtung psychischer Belastungsfaktoren vor Beginn der Tätigkeiten deshalb langfristig einen Beitrag zur Gesundheit der Mitarbeitenden leisten.
Bei der fachkundigen Beratung von Arbeitgebern durch die AGCT bei der Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen gem. § 4 BioStoffV werden daher mögliche psychische Belastungsfaktoren bei den zu betrachtenden Tätigkeiten berücksichtigt.