Desinfektionsmitteln und –verfahren bei gentechnischen Arbeiten mit Viren
Dr. Joachim Kremerskothen
ZKBS- Stellungnahme zu Hände- und Flächendesinfektionsmaßnahmen bei gentechnischen Arbeiten mit Viren bis Sicherheitsstufe 4 (aktualisiert im Februar 2021)
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Gemäß GenTSV (2019) Anlage 2 bis 4 (gültig ab 1. März 2021) sind in gentechnischen Anlagen, in denen mit GVO umgegangen wird, wirksame Desinfektionsmittel und spezifische Desinfektionsverfahren zur Verfügung zu stellen und anzuwenden. Anerkannten Desinfektionsmittel werden in Listen aufgeführt, wie sie zum Beispiel vom Robert Koch-Institut (RKI), dem Verbund für Angewandte Hygiene (VAH) oder von der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) regelmäßig veröffentlicht werden. RKI-getestete Mittel werden in fünf verschiedene Wirkungsbereiche (A: Bakterien, Pilze und Pilzsporen; B: Viren; C: Sporen des Milzbrand-Erregers; D: Sporen der Erreger von Gasödem und Wundstarrkrampf) eingeteilt. Weiterhin werden in der RKI-Liste unterschiedliche Anwendungsbereiche definiert (z. B. hygienische Händedesinfektion, Wäschedesinfektion oder Wischdesinfektion). Die Desinfektionsmittel-Liste des VAH beruht auf derselben Einteilung in Wirkungsbereiche, bezieht sich jedoch vornehmlich auf Desinfektionsverfahren, die für die routinemäßige und prophylaktische Desinfektion geeignet sind. In den genannten Listen sind die Produkte mit viruswirksamen Eigenschaften (Wirkungsbereich B) speziell gekennzeichnet. Dabei wird zwischen „begrenzt viruzider“ (gegen behüllte Viren), „begrenzt viruzider PLUS“ (gegen behüllte Viren sowie Adeno-, Noro- und Rotaviren) und „viruzider“ (gegen behüllte und unbehüllte Viren) Wirksamkeit unterschieden.
Die ZKBS empfiehlt in Ihre Stellungnahme (Az. 6790-10-49) bei der Auswahl von Desinfektionsmitteln und -verfahren die oben genannten Listen zu berücksichtigen, da die enthaltenen Produkte bereits auf ihre Wirksamkeit gegenüber Viren untersucht wurden. Dabei ist zu beachten, dass sich die Listen eine z.T. unterschiedliche Zielsetzung verfolgen und sich daher die eingetragenen Produkte in den Einwirkzeiten und den Konzentrationen der Gebrauchslösungen unterscheiden können. So ist z.B. die Liste des VAH in erster Linie auf die routinemäßige Desinfektion ausgerichtet und die Liste des RKI vornehmlich auf die behördlich angeordnete Desinfektion. Anzumerken ist, dass neben der Verwendung von gelisteten Präparaten auch die Möglichkeit besteht, Verfahren und Mittel zu verwenden, die nicht in einer der oben genannten Listen aufgeführt sind, wenn deren Wirksamkeit entsprechend des geplanten Einsatzbereiches nachgewiesen ist.
Bei Arbeiten mit instabilen behüllten Viren sollte bevorzugt ein Desinfektionsmittel mit dem Wirkungsbereich „begrenzt viruzid“ oder „begrenzt viruzid PLUS“ eingesetzt werden, da diese im Vergleich mit Mitteln des Wirkungsbereichs „viruzid“ i. d. R. eine bessere Verträglichkeit für die menschliche Gesundheit aufweisen und weniger umweltbelastende Bestandteile enthalten. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bestimmte Viren ggf. eine höhere Resistenz aufweisen als die in den Prüfmethoden eingesetzten Testviren. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass sich bei rekombinanten Viren, die mit Oberflächen- oder Kapsidproteinen entsprechender Viren pseudotypisiert bzw. chimärisiert werden, ebenfalls die Resistenz gegenüber bestimmten Desinfektionsverfahren erhöhen kann.
Bei der Auswahl von Desinfektionsverfahren sind neben dem Wirksamkeitsspektrum auch weiterführende Aspekte wie Arbeits- und Brandschutz zu berücksichtigen. Für die Desinfektion von Flächen ist wegen einer möglichen Aerosolentstehung grundsätzlich die Wischdesinfektion der Sprühdesinfektion vorzuziehen.
Abschließend wird in der aktualisierten ZKBS-Stellungnahme eine frühere Empfehlung zurückgenommen, bei gentechnischen Arbeiten mit dem Vesikulären StomatitisVirus (VSV) und dem Hepatitis B Virus (HBV) keine Alkohol-basierten Desinfektionsmittel einzusetzen, da hier neuere Untersuchungen deren Wirksamkeit gegenüber diesen Viren nachgewiesen haben.