Erfahrungsbericht zum ersten AGCT Nagoya Workshop vom 26. Juli 2023

Steffen Ibrom

Neben individuellen Nutzerpflichten sind auch praktische Beispiele der Informationsbeschaffung erörtert und Organisationsstrukturen, mit denen Institutionen den Anforderungen nachkommen können, angedacht worden.

Am 26. Juni 2023 hat die AGCT Consulting GmbH erstmals einen Workshop zum Nagoya Protokoll auf Wunsch von Teilnehmenden eines vorherigen Refreshing-Kurses durchgeführt. Das Nagoya Protokoll regelt als internationaler Vertrag den Umgang mit genetischen Ressourcen in Laboren. Dies mit dem Ziel, einen Ausgleich zu schaffen zwischen Staaten, die diese Ressourcen nutzen, und jenen, aus denen diese Ressourcen stammen. Innerhalb des Workshops wurde zunächst die rechtliche Ausgangssituation aus dem völkerrechtlichen Protokoll, der europäischen ABS-Verordnung und dem deutschen Umsetzungsgesetz von Frau Dr. Petra Kauch (AGCT) erläutert. Dies auch mit dem Hinweis, dass das Nagoya Protokoll an sich die Staaten und nicht die Nutzer verpflichte. Im Anschluss hat Frau Dr. Scarlett Sett (ABS/Nagoya Protocol compliance officer der Christian-Albrechts-Universität Kiel und beratend Verantwortliche im hub des BfN) die konkreten Nutzerpflichten aus der ABS-Verordnung definiert. Im Fokus stand auch die Frage, wie eine Institution, z. B. eine Universität die Organisationsstrukturen schaffen kann, um die Vorgaben der ABS-Verordnung einzuhalten. Alsdann wurde durch Frau Dr. Laura Korte (ABS Manager, Bayer AG) die praktische Informationsbeschaffung anhand von Beispielen mit genetischen Ressourcen aus Österreich, Frankreich, Chile, Kenia und Australien illuster live und im Internet geprobt. Teilnehmende kamen sowohl aus dem universitären Umfeld als auch von öffentlichen Forschungsinstituten und privaten Unternehmen. Vielen der Teilnehmenden obliegt innerhalb ihrer Organisationsstruktur die Aufgabe eines Compliance Officers oder einer Leitungsstelle, die sich um das Nagoya Protokoll zu kümmern haben. Im Kurs ergab sich deshalb vor allem auch ein Austausch zu den verschiedenen Organisationsstrukturen, die die Teilnehmenden in ihrem Unternehmen oder Einrichtungen umgesetzt haben oder umsetzen wollen. Im Kurs ergaben sich 3 wesentliche Diskussionsfelder:

1. Der Adressatenkreis der Nutzerpflichten:

Wer ist eigentlich Nutzer im Sinne der ABS-Verordnung? Warum kann die Nutzereigenschaft in einer Firma anders sein als in einer Universität? Wie verhält es sich mit drittmittelgeförderten Forschungseinrichtungen?

Nutzer im Sinne der ABS Verordnung ist tendenziell derjenige/diejenige der/die einen Vorteil aus der genetischen Ressource zieht. In einer Universität ist dies in der Regel der individuelle Forscher oder das Institut nicht primär der Kanzler oder die Universität. Im Vergleich zieht in der Regel ein privates Unternehmen den Nutzungsvorteil und nicht der Mitarbeitende des Unternehmens. Bei drittmittelgeförderten Forschungseinrichtungen wird man dies einzelfallbezogen zu überprüfen haben.

2. Die optimale Organisationsstruktur und die Schaffung des Problembewusstseins bei Mitarbeitenden:

Auch wenn tendenziell Forscher*innen Nutzer im Sinne ABS-Verordnung sind, ist es sinnvoll, innerhalb der Organisationsstruktur bestimmte Strukturen zentral zu schaffen. Unter den Teilnehmenden wurde insbesondere eine zentrale Datenerfassung sowie eine zentrale Archivierung der Dokumentationen, eine zentrale Kompetenzstelle für Rückfragen (ABS-Officer) sowie eine zentrale Organisation von Schulungen, Fortbildungen und awareness building thematisiert.

3. Die rückwirkende Aufarbeitung der genutzten genetischen Ressourcen:

Das Nagoya Protokoll arbeitet mit einer Stichtagsregelung, da es am 12. Oktober 2014 in Kraft getreten ist. Maßgeblich ist deshalb Material, das nach dem 12. Oktober 2014 erworben/genutzt wurde. Grundsätzlich gilt, dass die Maßgaben der ABS-Verordnung vor erstmaliger Nutzung erfüllt werden müssen. Dies deshalb, weil den Herkunftsländern durch die international anerkannten Konformitätszertifikate (IRCC) der Vorteil zugute kommen soll oder diese vor der Nutzung, die Bedingungen für eine solche Nutzung mitbestimmen können sollen (sog. prior informed consent, PIC & mutually agreed terms, MAT).

Trotzdem kommt es vor, dass Institute/Universitäten/Firmen die Vorgaben für vergangene Zeiträume nicht erfüllt haben. Unter den Kursteilnehmenden wurde deshalb besprochen, wie auch rückwirkend die Informationen von genutzten genetischen Ressourcen recherchiert und zentral zusammengetragen werden können. Im Ergebnis könnten mithilfe simpler Abfragen an die Forschenden zunächst die verwendeten Spezies, das Arbeitsziel und das Herkunftsland der Ressource erfragt und zusammengestellt werden. Sobald ein einheitlicher Datensatz vorliegt, kann dieser für jede genetische Ressource mittels einer erarbeiteten Checkliste auf Compliance mit dem Nagoya-Protokoll und der ABS-Verordnung überprüft werden. Letztlich setzte sich bei den Teilnehmenden auch die Erkenntnis durch, dass die Beschäftigung mit der ABS-Verordnung kein „Einmalprojekt“, sondern eine Daueraufgabe ist. Sowohl eine Recherche mit Bezug auf das Herkunftsland, eines international anerkannten Konformitätszertifikats (IRCC) als auch die Reichweite der erlaubten Nutzung sind stets aufs Neue in den Blick nehmen, da sich alle Parameter während der Zeit der Nutzung ändern können. Bereits aus diesem Grunde werden wir die Veranstaltung als Workshop in Kürze (voraussichtlich in der 2. Dezemberwoche) nochmals und dauerhaft halbjährlich anbieten.

Eine erste Möglichkeit für Mitarbeitende, sich dem Thema anzunähern, besteht in unserem AGCT Refreshing-Projektleiterkurs (Tageskurs) am 06. September 2023, mit dem zugleich auch die Auffrischung der Gentechnik-Sachkunde erfüllt werden kann. Informieren Sie sich gerne über unsere Homepage.

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