Expression von immunmodulierenden Proteinen in gentechnisch veränderten, replikationskompetenten Mikroorganismen
Dr. Joachim Kremerskothen
Aktualisierte ZKBS-Stellungnahme: Einstufung gentechnischer Arbeiten, bei denen Gene für immunmodulierende Proteine in das Genom replikationskompetenter Mikroorganismen inseriert werden.
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Gegenwärtig sind etwa 60 Zytokine und ca. 50 Chemokine bekannt, die eine immunmodulierende Wirkung besitzen. Aufgrund ihrer pleiotropen und redundanten Funktionsweise sowie der starken Kontextabhängigkeit ihrer Eigenschaften können die verschiedenen Vertreter dieser immunmodulierenden Proteine entweder die Abwehr eines Pathogens stimulieren oder aber auch supprimieren. So verändert z.B. die Überexpression des Interleukins 4 (IL-4) die Immunantwort, indem es die zelluläre in Richtung der humoralen Immunantwort verschiebt. Die Verabreichung von Tumorzellen, die IL-4 exprimieren, kann eine systemische T-Zell-abhängige Immunantwort gegen die Tumorzellen hervorrufen. Es wurde jedoch festgestellt, dass IL-4 die zelluläre Immunantwort gegen das Ectromelia virus (ECTV) entscheidend unterdrücken kann. Nach Infektion von Mäusen mit einem rekombinanten, replikationskompetenten ECTV, in dessen Genom das murine IL-4-Gen inseriert worden war, wurde eine bestehende Immunität unterlaufen. Durch die Insertion des murinen IL-4-Gens erhöhte sich das Gefährdungspotenzial von ECTV somit deutlich. Auch die Expression von Chemokinen durch einen replikationskompetenten Mikroorganismus kann zu einer Erhöhung des Gefährdungspotenzials führen. Die Infektion mit einem eigentlich attenuierten Rabies lyssavirus-Stamm, in dessen Genom das Gen für das Chemokin IP-10 (CXCL10) integriert worden war, führte bei Mäusen zu starker Gewichtsabnahme, neurologischen Ausfällen und zum Tode. Dagegen war die Infektion mit dem Ausgangsstamm nur mit geringen und vorübergehenden Symptomen bei wenigen Versuchstieren verbunden.
Empfehlung der ZKBS Für gentechnische Arbeiten, bei denen immunmodulierende Proteine durch replikationskompetente Mikroorganismen exprimiert werden, kann eine Aussage über die Wirkungsweise dieser Modulatoren nur für den jeweiligen Einzelfall getroffen werden. Diese Arbeiten sind somit grundsätzlich als nicht vergleichbar im Sinne des Gentechnikgesetzes anzusehen. Somit ist eine Einzelfallbewertung durch die ZKBS grundsätzlich erforderlich. Davon ausgenommen sind jedoch gentechnische Arbeiten, bei denen • Empfängerorganismen verwendet werden, die kein Gefährdungspotential für Menschen und Tiere aufweisen und diese nicht dauerhaft besiedeln oder infizieren können. • Kombinationen von Empfängerorganismen und immunmodulierenden Genen verwendet werden, die bereits durch die ZKBS bewertet wurden (z. B. Übertragung des Gens für das humane Protein TRAIL auf Human mastadenovirus C).
Eine Liste der Gene für immunmodulierende Proteine, die keine Einzelfallprüfung durch die ZKBS erfordern, liegt nicht vor.
Die aktualisierte ZKBS Stellungnahme kann unter dem Aktenzeichen Az. 6790-03-05 abgerufen werden.