Fermenter im Labor – Ist das schon ein Produktionsbereich?!?

Steffen Ibrom

Die Frage, ab wann eine gentechnische Anlage als Produktionsbereich gilt, wird bundesweit unterschiedlich beurteilt. Doch was regeln die Vorschriften?

Im Rahmen der AGCT-Projektleiterkurse erreichen uns häufig Fragen zur Abgrenzung von Labor- und Produktionsbereichen in gentechnischen Anlagen. Hat dies in der Praxis eine Auswirkung? Ist eine Anlage mit Fermenter automatisch ein Produktionsbereich? Ist dies abhängig von der Größe des Fermenters oder dessen technischer Ausstattung? Welche Sicherheitsmaßnahmen gelten für Labore, die nur einen kleinen Fermenter haben?

Zeit für uns, die Vorgaben zu prüfen:

Rechtliche Grundlagen: Das Gentechnikgesetz (GenTG) definiert zunächst nur „gentechnische Anlagen“ (§ 3 Nr. 4 GenTG); eine differenzierte Betrachtung von Anlagearten erfolgt nicht. Gem. § 7 Abs. 2 S. 2 GenTG obliegt es jedoch der Bundesregierung, die „[…] nach dem Stand der Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen für den Labor- und Produktionsbereich, für Tierhaltungsräume und Gewächshäuser […]“ zu regeln.

Diese Differenzierung ist in den Anlagen 2 – 4 der Gentechnik-Sicherheitsverordnung (GenTSV) erfolgt.

Danach gelten die folgenden Definitionen:

  • Laborbereich: „Bereich, in dem in der Regel gentechnisch veränderte Organismen (GVO) erzeugt werden oder in dem mit GVO experimentell in labortypischen Geräten umgegangen wird“ (§ 3 Nr. 9 GenTSV).

  • Produktionsbereich: „Bereich, in dem a) in der Regel in standardisierten Prozessen GVO vermehrt werden oder mit ihrer Hilfe Substanzen gewonnen werden oder b) ausnahmsweise GVO erzeugt werden“ (§ 3 Nr. 10 GenTSV).

Die Unterscheidung erfolgt somit tätigkeitsbezogen und betrachtet die regelmäßige Arbeit.

Werden im Regelfall GVO (neu) erzeugt oder wird mit diesen experimentell umgegangen, ist dies ein Laborbereich.

Werden im Regelfall GVO (industriell/standardisiert) vermehrt oder zur Gewinnung von Substanzen genutzt, ist dies ein Produktionsbereich. Der Produktionsbegriff ist dabei nicht durch den Begriff des Produkts definiert, d.h. es ist nicht relevant, ob dort etwas für einen späteren Verkauf/eine Abgabe an den Markt hergestellt wird. Auch erfolgt die Unterscheidung nicht anhand der Fermentergröße.

Es gilt zudem § 14 Abs. 2 GenTSV:

„Die Sicherheitsmaßnahmen nach Anlage 2 Teil A für den Laborbereich können auch bei labortypischen Arbeiten im Produktionsbereich angewendet werden, die Sicherheitsmaßnahmen nach Anlage 2 Teil B für den Produktionsbereich auch bei produktionstypischen Arbeiten im Laborbereich.“

Labor- und Produktionstätigkeiten müssen also nicht in getrennten Bereichen durchgeführt werden, sofern die jeweiligen Sicherheitsmaßnahmen tätigkeitsbezogen eingehalten werden.

Auswirkung bei der Antragstellung: Die erstmalige Zulassung Ihrer gentechnischen Anlage erreichen Sie über die folgenden Formblätter:

  • AZ-S1 (Anzeige einer S1-Anlage)
  • A (Anmeldung einer S2-Anlage/Genehmigung einer S3-/S4-Anlage):

Beide Formblätter sehen nicht vor, dass Sie Ihre Anlage als Labor, Produktion, Tierhaltung oder Gewächshaus definieren; jede Anlage ist eine „gentechnische Anlage“. In Abhängigkeit zur Tätigkeit müssen die Formblätter A und AZ-S1 aber um spezielle Formblätter ergänzt werden, in denen Sie die Sicherheitsmaßnahmen in den einzelnen Bereichen beschreiben:

  • AL für Sicherheitsmaßnahmen im Laborbereich
  • AP für Sicherheitsmaßnahmen im Produktionsbereich
  • AG für Sicherheitsmaßnahmen in Gewächshäusern und Klimakammern
  • AT für Sicherheitsmaßnahmen im Tierhaltungsbereich

Beide Formblätter AL und AP sehen Angaben für Fermenter vor. Es muss also nicht zwingend das Formblatt AP genutzt werden, wenn ein Fermenter vorhanden ist. Abhängig ist dies von der durchgeführten Tätigkeit. Wird der Fermenter als labortypisches Gerät zum experimentellen Umgang mit GVO genutzt, sind die Angaben im Formblatt AL, Abs. 6 zu machen. Ist der Fermenter Teil eines standardisierten Prozesses zur Vermehrung oder Substanzgewinnung, erfolgt die Angabe im Formblatt AP, Abs. 6. In beiden Formblättern kann der Fermenterraum als solcher in der Raumliste angegeben werden.

Auswirkung auf die Sicherheitsmaßnahmen: Durch den Verweis in § 14 Abs. 2 GenTSV (s.o.) wird auch die Frage nach den anzuwendenden Sicherheitsmaßnahmen beantwortet. Wird ein Fermenter im Laborbereich betrieben, ist dies eine produktionstypische Arbeit im Laborbereich. Es sind folglich zusätzlich zu den Sicherheitsmaßnahmen für Laborbereiche (Anlage 2 Teil A GenTSV) auch jene für Produktionsbereiche (Anlage 2 Teil B GenTSV) zu erfüllen. Unter anderem zählen dazu eine ausreichende Inaktivierungskapazität für GVO (vgl. Anlage 2 Teil B I. a. 5 GenTSV) oder das Vorhandensein ausreichender Auffangvorrichtungen für den unkontrollierten Austritt von GVO (vgl. Anlage 2 Teil B I. a. 9 GenTSV). In der Praxis sollten daher beim Bau von Produktionsanlagen bereits in der Planungsphase die Vorschriften der GenTSV mitgeprüft werden.

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