Mottenlarven statt Mäuse

Dr. Joachim Kremerskothen

Die Larven der Großen Wachsmotte können als Modellsystem für die Erforschung von entzündlichen Darmerkrankungen dienen.

 

Um die molekularen Grundlagen von entzündlichen Darmerkrankungen beim Menschen zu untersuchen, werden u.a. Versuche mit Mäusen durchgeführt, denen gentechnisch veränderte (gv) Enterobakterien appliziert werden. An den behandelten Tieren können anhand von physiologischen oder histologischen Parametern anschließend die Funktionen einzelner bakterieller Pathogenitätsfaktoren untersucht werden. Bei diesem Infektionsversuchen handelt es sich zumeist um gentechnische Arbeiten in der Sicherheitsstufe 2, die gemäß Gentechnik-Sicherheitsverordnung (GenTSV) mit bestimmten organisatorischen und technischen Sicherheitsmaßnahmen in den jeweiligen Tierhaltungsräumen und Laboren verbunden sind. Dazu gehört u.a. die Unterbringung der infizierten Tiere in Käfigen oder Haltungsschränken mit einer geeigneten Abluftfiltration oder auch die thermische Behandlung der Kadaver von infizierten Tieren in einem Autoklaven nach einem vorher validierten Inaktivierungsprogramm.

Eine Ergänzung bzw. Alternative zu den beschriebenen Versuchen in Mäusen stellt ein Modellsystem mit den Larven der Große Wachsmotte (Galleria mellonella) dar. Dabei werden vorhandene Ähnlichkeiten in Bezug auf die Immunantwort und die Pathogenese von entzündlichen Darmerkrankungen zwischen den Larven und der Maus (bzw. dem Menschen) genutzt. Die Larven werden für die Experimente mit den entsprechenden Bakterien „gefüttert“ und besiedeln anschließend das Verdauungssystem der Tiere. Dies führt, je nach injiziertem gv-Bakterium, innerhalb von wenigen Stunden bzw. Tagen zu pathologischen Erscheinungen bis hin zum Tod der Larven. Anhand von molekularbiologischen oder auch immunhistologischen Analysen kann der Entzündungsverlauf detailliert verfolgt und so auf bestimmte Wirkmechanismen (z.B. von bakteriellen Toxinen) zurückgeschlossen werden. Bei den Experimenten werden die Larven selbst nicht gentechnisch verändert, sondern gelten nur als Träger der gv-Bakterien.

Das Wachsmottenlarven-Modellsystem bietet neben einer Reduktion von zeit- und kostenaufwendigen Mausstudien weitere Vorteile. So wird für die Infektionsversuche zumeist ein S2- Labor, aber keine zusätzliche Tierhaltung benötigt, solange durch das Versuchsprotokoll sichergestellt ist, dass sich aus den Laven keine flugfähigen Motten entwickeln. Für die Applikationen kann zudem mit sehr kleinen Mengen an gv-Bakterien gearbeitet werden. Nach Abschluss der Experimente können infizierte Larven nach einem Standard-Protokoll für die thermische Behandlung von (Feststoff-) Abfall im Autoklaven inaktiviert werden.

Im Vorfeld der Verwendung des Wachsmottenlarven-Modellsystems für gentechnische Arbeiten sollte mit der zuständigen Zulassungsbehörde geklärt werden, ob bzw. wie diese Methode als weitere S2-Arbeit angezeigt werden muss und welche Sicherheitsmaßnahmen (z.B. bei der Applikation der gv-Bakterien) als notwendig erachtet werden.

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