Neue Risikobewertung von Filoviren
Dr. Joachim Kremerskothen
Die ZKBS hat in ihrer Stellungnahme vom Juli 2023 verschiedene Filoviren-Spezies in unterschiedliche Risikogruppen eingestuft.
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Dianlovirus menglaense Das Genom von Dianlovirus menglaense (Synonym: Mengla dianlovirus, MLAV) wurde 2019 in Leberproben von asymptomatischen Rosettenflughunden aus dem tropischen Regenwald in China nachgewiesen, MLAV-Partikel wurden bisher jedoch nicht isoliert. Das MLAV-Genom besteht aus einer unsegmentierten, einzelsträngigen RNA negativer Polarität und ähnelt in Größe bzw. Organisation stark dem Genom von Viren der Gattung Marburgvirus. Basierend auf phylogenetische Analysen wird MLAV bisher als einzige Spezies der Gattung Dianlovirus innerhalb der Filoviren zugeordnet. MLAV besitzt einen breiten Wirtsbereich, der weitestgehend identisch ist mit dem anderer Filoviren. Ergebnisse aus Experimenten mit humanen HEK293-Zellen und rekombinanten Virushybriden legen nahe, dass MLAV (genau wie auch Ebola-Virus (EBOV) und Marburg-Virus (MARV)) den Rezeptor Niemann-Pick C1 (NPC1) für den Zelleintritt nutzen. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass generierte Pseudoviren über das Glykoprotein des MLAV in vitro primäre Zellen und etablierte Zelllinien verschiedener Säugetierspezies (Fledermaus, Flughund, Menschen, Affen, Hamster und Hunde) infizieren können. Ähnlich wie auch bei MARV und EBOV, ist auch MLAV in der Lage, die Typ-I-Interferon-Antwort in menschlichen Zellen zu blockieren. Aufgrund der Lebensweise und der Rückzugsgebiete der Rosettenflughunde ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Mensch mit MLAV in Kontakt kommen kann oder schon gekommen ist. Daten zur Seroprävalenz von MLAV in Menschen oder Tieren liegen nicht vor. Ebenfalls gibt es bislang keine Daten zur Pathogenität, der Verbreitung sowie zu möglichen weiteren Wirten von MLAV.
Striavirus antennarii und Thamnovirus thamnaconi Die Genome von Striavirus antennarii (Synonym: Xilang striavirus, XILV) und Thamnovirus thamnaconi (Synonym: Huangjiao thamnovirus, HUJV) wurden erstmals 2011 in Fischen aus dem Ostchinesischen Meer nachgewiesen. Ihr Genom besteht aus unsegmentierter, einzelsträngiger RNA negativer Polarität. Hinsichtlich ihrer Größe und Organisation unterscheiden sich die Genome der Fisch-Filoviren deutlich von denen der Säugetier-Filoviren (wie z.B. EBOV und MARV). XILV ist bisher das einzige klassifizierte Virus der Gattung Striavirus, HUJV das einzige klassifizierte Virus der Gattung Thamnovirus. Weder XILV- noch HUJV-Partikel konnten bisher isoliert werden. Das pathogene Potenzial, die Verbreitung der Viren sowie der Wirtsbereich sind unbekannt.
Die ZKBS stuft die Fisch-Filoviren Striavirus antennarii und Thamnovirus thamnaconi nach § 5 Abs. 1 GenTSV i.V.m. den Kriterien in Anlage 1 GenTSV als Spender- und Empfängerorganismen für gentechnische Arbeiten in die Risikogruppe 2 ein, das Säugetier-Filovirus Dianlovirus menglaense wird dagegen der Risikogruppe 4 zugeordnet. Über XILV und HUJV ist bislang wenig bekannt. Ihr Genom ist jedoch grundsätzlich anders aufgebaut als das der Säugetier-Filoviren. Da außerdem keine Hinweise auf ein pathogenes Potenzial vorliegen, wird von der ZKBS für die Risikobewertung nicht das Gefährdungspotenzial der humanpathogenen Filoviren zugrunde gelegt. Für MLAV ist ebenfalls nicht bekannt, ob das Virus für den Menschen und Tiere pathogen ist. Dies kann jedoch aufgrund von in vitro Experimenten und der Ähnlichkeit von MLAV mit MARV nicht ausgeschlossen werden. Vermutlich besitzt MLAV einen breiten Wirtsbereich, der auch den Menschen umfasst.
Die komplette ZKBS-Stellungnahme kann unter dem Aktenzeichen 45242.0211 abgerufen werden.