Probe aus totem Hochseewal angeschwemmt an spanischer Küste - Nagoya?
Dr. Petra Kauch
Viele Fragen bei der Verwendung von genetischen Ressourcen sind unklar und werden in den AGCT-Workshops umfangreich diskutiert – etwa die Vorstehende?
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Hintergrund: Ein Forscher in Deutschland verwendet eine Materialprobe, die spanische Forscher von einem an der spanischen Küste angeschwemmte Hochseewal gezogen hatten für Vergleichsuntersuchungen. Braucht der deutsche Forscher dafür ein Zertifikat nach der EU-ABS Verordnung?
Die vordringliche Auffassung im AGCT-Workshop zum Nagoya Protokoll war: Es gilt das Nagoya-Protokoll (richtiger die EU-ABS-VO), da die Probe in Spanien vom Wal genommen worden ist.
Dies ist deshalb zu hinterfragen, weil das Nagoya-Protokoll für genetische Ressourcen gilt, über die Staaten souveräne Rechte ausüben, die in den Anwendungsbereich von Art. 15 des Übereinkommens (Nagoya-Protokoll) fallen, im Gegensatz zu dem weiter gefassten Anwendungsbereich von Artikel 4 des Übereinkommens. In gleicher Form ergibt sich dies aus Art. 1 Nagoya Protokoll, wo auch als Ziel daran angeknüpft wird, dass eine genetische Ressource einem Recht unterfällt. Wörtlich heißt es dort: „…. unter Berücksichtigung aller Rechte an diesen Ressourcen ...“. Dies bedeutet, dass sich das Nagoya-Protokoll nicht auf den gesamten Zuständigkeitsbereich nach Artikel 4 des Übereinkommens bezieht, etwa auf Tätigkeiten, die in Meeresgebieten außerhalb nationaler Hoheitsgebiete stattfinden. Die Vorteilsausgleichung ist vielmehr nur dann angemahnt, wenn sich der Vorteil aus der Nutzung einer genetischen Ressource ergibt, die die Vertragspartei (Spanien) als Ressource kraft eigenem Recht zur Verfügung gestellt hat (Art. 5 Abs. 1 Art. 15 Nagoya-Protokoll).
Für die Untersuchung in Deutschland käme es jedenfalls darauf an, ob Spanien über den angeschwemmten Wal ein souveränes Rechte ausübt. Was unter dem „souveränen Recht eines Staates“ zu verstehen ist, definiert weder das Nagoya Protokoll noch die EU-ABS VO. Auch der Leitfaden zur EU ABS-VO (ABl. EU C13/1 v. 12.01.2021) führt nicht weiter. Er enthält allenfalls ein Beispiel für einen zunächst nicht in der EU heimischen Fisch, der sich dann aber in der EU etabliert hat. Dieses Beispiel ist für einen gestrandeten Wal wenig hilfreich, denn dass sich das Rechtssystem auf etwas erstreckt, was sich bei uns etabliert hat, ist nachvollziehbar. Ob sich das souveräne Recht eines Staates auf angeschwemmtes Material erstreckt, ist eher fraglich. Auch für Spanien war der Wal möglicherweise herrenlos und unterlag, jedenfalls außerhalb der Zwölfmeilenzone, nicht dem souveränen Recht eines Staates. Ob sich mit Anschwemmen ein Aneignungsrecht des Staates eingestellt hat, wäre zu prüfen. Wenn nicht, unterfiele er aus diesem Grunde nicht dem Nagoya Protokoll. Allein auf den Umstand, dass die Probe in Spanien gezogen worden ist, kommt es folglich nicht an. Gefordert ist vielmehr, dass sich die Souveränität des Staates darauf erstreckt. Dies kann man gedanklich auch mit dem Sinn des Vorteilsausgleichs begründen. Denn es gilt den Vorteil an denjenigen zurückfließen zu lassen, der über eine genetische Ressource verfügt, d.h. an dieser Rechte hat, um auch bei diesem das öffentliche Bewusstsein für den wirtschaftlichen Wert der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt zu schaffen (Präambel Nagoya-Protokoll). Warum der Vorteilsausgleich nach Spanien fließen soll, obwohl der Wal ursprünglich aus internationalen Gewässern, die nicht dem Nagoya Protokoll unterfallen, kam, erschließt sich nicht.
Fazit: Ohne Prüfung des internationalen/spanischen Rechts lässt sich die Frage nicht beantworten.