Risikobewertung von insektenspezifischen Viren (ISV)

Dr. Joachim Kremerskothen

ZKBS-Stellungnahme: Kriterien der Risikobewertung von Viren mit einem ausschließlichen Wirtsbereich für Insekten als Spender- oder Empfängerorganismus.

Viren, die sich nur in Zellen von Insekten, nicht jedoch in Vertebraten, anderen Invertebraten und Pflanzen vermehren können, werden als insektenspezifische Viren (ISV) bezeichnet. Infizierte Insekten können dabei als Vektoren dienen, die Viren auf Pflanzen oder Tiere und den Menschen übertragen. Sog. arthropode-borne (Arbo)-Viren haben ihren evolutionären Ursprung oft in ISV und können beim Menschen zu schweren Krankheiten wie beispielsweise dem Dengue- oder Gelbfieber führen. Da ISV zunehmend in den Mittelpunkt von (gentechnischen) Forschungsvorhaben rücken, hat sich die ZKBS zu den Kriterien einer Risikobewertung geäußert.

Sowohl für ökonomisch relevante Nutzinsekten als auch für Insekten aus dem Nahrungs- und Futtermittelbereich können ISV eine wirtschaftliche Gefährdung darstellen. Andererseits werden z.B. Baculoviren zur Schädlingsbekämpfung in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt. Mit neueren Methoden der Metagenomanalyse werden zunehmend bisher nicht entdeckte Viren detektiert. Zumeist sind diese neuen ISV (bislang) nicht durch Krankheitssymptome bei infizierten Wirten in Erscheinung getreten.

Über die Biologie der neuen ISV, wie deren Wirtsbereich, Pathogenität und Art der Übertragung, liegen häufig keine oder nur wenig Informationen vor. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der bislang wenig beschrieben ISV für ihren Wirt nicht pathogen sind. Daher erscheint es der ZKBS unverhältnismäßig, alle noch nicht vollumfänglich charakterisierten ISV vorsorglich der Risikogruppe 2 zuzuordnen. Vielmehr werden von der ZKBS Kriterien für die Bewertung und Einstufung von ISV als Spender- oder Empfängerorganismen für gentechnische Arbeiten festgelegt. Für die Einordnung von ISV in Risikogruppen ist dabei insbesondere entscheidend, ob bei einem Entweichen dieser Viren in die Umwelt eine Gefährdung von Nutzinsekten zu erwarten ist. In Abwesenheit konkreter Daten kann für die Abschätzung einer möglichen Pathogenität auch der Verwandtschaftsgrad zu bekannten insektenpathogenen Viren herangezogen werden.

ISV sind der Risikogruppe 1 zuzuordnen, wenn Daten eine Apathogenität für potenzielle Wirtsinsekten belegen oder es bei Nachweis viraler Nukleinsäureabschnitte in komplexen Umweltproben bzw. Metagenomen von in Deutschland freilebenden Nutzinsekten keinen Hinweis auf eine Pathogenität der entsprechenden Viren gibt. Gleiches gilt, wenn zwar eine Pathogenität für Nicht-Nutzinsekten vorliegt, die Viren jedoch bereits in Deutschland oder direkt angrenzenden Ländern verbreitet sind. Vertreter aus der Familie der Baculoviren (Baculoviridae) werden generell der Risikogruppe 1 zugeordnet. Falls die Nicht-Nutzinsekten-Wirte spezifischer ISV nicht in Deutschland oder direkt angrenzenden Ländern verbreitet sind oder Vektoren (z.B. eine Milbe), die zur Übertragung des ISV auf Nicht-Nutzinsekten ggf. notwendig sind, nicht in Deutschland oder direkt angrenzenden Ländern verbreitet sind, erfolgt ebenfalls eine Zuordnung der spezifischen ISV zur Risikogruppe 1.

ISV sind in die Risikogruppe 2 einzustufen, wenn sie pathogen für in Deutschland in freier Wildbahn vorkommende Nutzinsekten sind oder Hinweise auf eine solche Pathogenität vorliegen. Eine Einstufung in Risikogruppe 2 besteht ebenfalls, wenn eine Pathogenität für in Deutschland verbreitete Nicht-Nutzinsekten vorliegt und die ISV in Deutschland noch nicht verbreitet sind, die ggf. für eine Übertragung notwenigen Vektoren jedoch schon.

Bei gentechnischen Arbeiten mit ISV, deren Wirte in Deutschland und angrenzenden Ländern vorkommen, muss das Entweichen durch geeignete Maßnahmen zuverlässig verhindert werden und gemäß GenTSV dem Eindringen von Überträgern von gentechnisch veränderten Organismen (z.B. Arthropoden) vorgebeugt werden. Dies kann z. B. durch folgende Maßnahmen gewährleistet werden:

  • Absicherung von Öffnungen (z.B. Fenster, Türschlösser, Türspalten) mit Insekten-schutzgaze, Bürsten oder Gummilippen
  • nicht zu öffnende Fenster
  • Verwendung von Türschlössern mit Schließzylinder
  • kontrollierter Zutritt, abgesichert z.B. durch eine Luftdusche oder einen Insekten-schutzvorhang
  • Einfangen und Töten von im Labor aufgefundenen Insekten (Bereithalten von Insektengift, Aufstellen von Insektenfallen)

Die ZKBS-Stellungnahme kann unter dem Aktenzeichen Az. 45310.0120 abgerufen werden.

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