Stellungnahme der ZKBS zum EuGH-Urteil
Steffen Ibrom
Viel Wirbel – Auswirkungen des EuGH- Urteils zu Mutagenese-Organismen als GVO.
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Die ZKBS sieht das EuGH-Urteil (vgl. dazu AGCT-Gentechnik.report vom…) vor dem Hintergrund zahlreicher sich daraus ergebender Probleme im Hinblick auf das Genome Editing kritisch. Insbesondere beziehe das Urteil den naturwissenschaftlichen Kenntnisstand nicht mit ein, indem es die vorangegangenen Bewertungen anerkannter Institutionen (European Academics Science Advisory Council (EASAC); High Level Group of Scientific Advisors (part of SAM); Deutsche Akademie der Wissenschaften Leopoldina; Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG); Deutsche Akademie der Technikwissenschaften acatech) außer Acht lasse. Aus Sicht der ZKBS entspricht es nicht dem wissenschaftlichen Kenntnisstand, neuere Verfahren der Mutagenese gänzlich als GVO einzuordnen. Das EuGH-Urteil betrifft dabei zwei neue Verfahren: die sog. Oligonukleotid-gesteuerte Mutagenese und die sog. Genscheren, durch die auch das gezielte Einfügen fremder Gene möglich ist. Veränderungen letzterer Art fallen ohnehin unter das Gentechnikrecht. Bei den Genome Editing-Techniken, der sog. Oligonukleotid-gesteuerten Mutagenese, handelt es sich dagegen lediglich um minimale Veränderungen des Zielorganismus. Das Endergebnis könne zwar im Zielorganismus nachgewiesen werden, der Entwicklungsvorgang entspreche aber dem einer natürlichen Mutation und sei nicht nachweisbar. In diesem Zusammenhang unterscheide sich zum Beispiel die so erzeugte Pflanze nicht von einer, die durch konventionelle Mutagenese oder auf natürliche Weise entstand. Nach Ansicht des EuGH dagegen werde der Zielorganismus dieser Art der Mutagenese auf eine nicht natürliche Weise gewonnen. Solche minimalen Genomveränderungen den strengen Regularien und Verfahren des Gentechnikrechts zu unterwerfen, hält die ZKBS aus folgenden Gründen für bedenklich: Zum einen stellten diese neuen Verfahren einen erheblichen Fortschritt für die wissenschaftliche Forschung dar und würden insbesondere in der Pflanzenzüchtung und der Landwirtschaft vielversprechend genutzt. Sie zeichneten sich insbesondere durch eine gezielte Veränderung im Genom des Zielorganismus aus und erzielten damit einen effizienteren und schnelleren Züchtungsfortschritt. Auch diese neuen Verfahren unterlägen bereits aufwendigen und mehrjährigen Zulassungsverfahren, sodass es einer Regulierung durch das Gentechnikrecht nicht bedürfe. Zum anderen basierten die vom Menschen herbeigeführte konventionelle Mutagenese sowie die sog. Oligonukleotid-gesteuerten Mutagenese auf den gleichen Mechanismen wie die Entstehung von natürlichen, umweltverursachenden Mutationen. Im Unterschied zur konventionellen Mutagenese werde das zuletzt genannte neue Verfahren mit den sog. Genscheren gleichgestellt und als GVO eingestuft, weshalb letztere Verfahren im Unterscheid zum konventionellen Verfahren den Regulierungen des Gentechnikrechts unterlägen. Überdies wird darauf hingewiesen, dass Mutagenese-Verfahren außerhalb Europas nach ihren Produkten – sog. produktbasierte Risikobewertung – bewertet werden, die diese nicht als GVO einordneten. Die EuGH-Entscheidung führe dagegen zu einer prozessbasierten Risikobewertung. Dabei erfolge die Risikobewertung nach dem zugrundeliegenden Verfahren. Dies könne zur Folge haben, dass zwei genetisch gleiche Organismen unterschiedlichen Regularien unterworfen sind. Wegen der angewandten gleichen Mechanismen hält die ZKBS eine gesonderte Risikobewertung nach dem Gentechnikrecht für überflüssig und wissenschaftlich nicht begründbar. Damit unterlägen die in Europa gewonnenen Organismen strengeren Regulierungs- und Zulassungsanforderungen nach der Gentechnikrichtlinie als diejenigen anderer großer Agrarländer. Dies könne zu großen Problemen mit Blick auf den internationalen Handel und der Kontrolle durch die zuständigen europäischen Zollbehörden führen. Abschließend fordert die ZKBS, dass das – im Wesentlichen auf dem Wissensstand von 1990 beruhende – europäische Gentechnikrecht dringend an den heutigen Stand der Wissenschaft angepasst werden muss.