Überlebenszeit von Organismen im Labor unter nicht optimalen Bedingungen?

Dr. Joachim Kremerskothen

Die Tenazität ist ein Kriterium bei der Bewertung des Risikopotenzials von Organismen bei gentechnischen Arbeiten.

In der Gentechniksicherheitsverordnung (GenTSV) werden in der Anlage 1 unter Punkt 1 die allgemeinen Kriterien für die Risikobewertung von (Mikro-)Organismen bei gentechnischen Arbeiten benannt. Neben der Pathogenität, der Infektionsdosis und der Übertragungswege, wird dort u.a. auch das Kriterium der Widerstandsfähigkeit oder auch Tenazität aufgeführt. Der Begriff der Tenazität beschreibt die Fähigkeit eines Organismus auch unter nicht optimalen Bedingungen zu überleben bzw. seine Vermehrungs- und Infektionsfähigkeit zu erhalten. Bei Einzellern, Bakterien und Viren steigt mit dem Grad ihrer Tenazität die relative Überlebenszeit außerhalb ihres natürlichen Habitats bzw. ihres Wirtes. Je nach Organismus bestimmen dabei Faktoren, wie etwa die Temperatur, das Nährstoffangebot oder der Wasseranteil im Umgebungsmilieu, dieses Zeitintervall. Im Rahmen von gentechnischen Arbeiten, bei denen es zu einer Bildung von kontaminierten Aerosolen kommen kann oder auch bei Experimenten mit luftübertragbaren, gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ist deren Tenazität ein wichtiges Kriterium bei der Festlegung von Sicherheits- und Dekontaminationsverfahren. Oftmals stellt sich hier die Frage, wie lange z.B. ein freigesetzter (gentechnisch veränderter) Organismus auf einer unbelebten Oberfläche im Arbeitsbereich noch vermehrungsfähig bzw. infektiös ist. Zu dieser Thematik gibt es bereits eine Vielzahl an experimentellen Daten bzw. veröffentlichte Studien, die allerdings zumeist mit Wildtyp-Organismen erhoben wurden (zusammengefasst u.a. in Wißmann et al., Microorganisms, 2021). So wurde z.B. gezeigt, dass unbehüllte Viren (z.B. Entero- und Parvoviren) eine hohe Tenazität besitzen, wohingegen behüllte Viren (z.B. Retroviren) relativ schnell auf unbelebten Flächen außerhalb des Wirtes inaktiviert werden. Bakterien, und hier vor allem die dauerformenbildenden Vertreter, besitzen in der Regel eine höhere Tenazität als Viren. Ob nun, unter Berücksichtigung der individuellen Tenazität der bearbeiteten Organismen, in einer gentechnischen Anlage Oberflächen, Geräte oder sonstige Materialien (z.B. Filterkassetten) nach einer gewissen „Abklingzeit“ als GVO-frei angesehen werden können, sollte im Vorfeld immer mit der zuständigen Überwachungsbehörde abgestimmt werden.

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