„Unverzüglich“, „regelmäßig“, „jährlich“, „sofort“ – Zeitangaben im GenTG
Dr. Petra Kauch
Was bedeuten eigentlich die Zeitangaben im GenTG und den diesbezüglichen Rechtsverordnungen? – Teil 1 –
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Das GenTG enthält zahlreiche Zeitangaben wie „unverzüglich“, „regelmäßig“, „jährlich“, „sofort“, die als unbestimmte Rechtsbegriffe nicht von vornherein verständlich sind. Sie werden in unterschiedlichem rechtlichen Kontext verwandt und auch nicht nur im Zusammenhang mit Verpflichtungen der drei Funktionsträger (Betreiber, Projektleiter (PL) und Beauftragte für die Biologische Sicherheit (BBS)), sondern in Teilen mit den zuständigen Behörden.
Die einzelnen Zeitangaben sollen in einer AGCT-Gentechnik.report-Serie näher erklärt werden, dies beginnend mit dem Begriff „unverzüglich“. Weitere Begriffe folgen in den kommenden Ausgaben des AGCT-Gentechnik.reports.
Der Begriff „unverzüglich“ wird im Gesetz und den Rechtsverordnungen an mehreren Stellen verwandt. Allein im GenTG taucht der Begriff insgesamt 24-mal auf. Exemplarisch seien folgende Zusammenhänge genannt:
- bei der Risikobewertung: Risikobewertung ist unverzüglich zu überarbeiten, wenn … (§ 6 Abs. 1 S. 1 GenTG)
- bei den Sicherheitsmaßnahmen: Die notwendigen Vorkehrungen sind unverzüglich zu treffen (§ 6 Abs. 2 GenTG).
- bei behördlichen Anträgen: Die zuständige Behörde hat dem Antragsteller den Eingang des Antrags unverzüglich zu bestätigen (§ 10 Abs. 4 S. 1 GenTG).
- bei der Änderung von BBS/PL: Bei einer unvorhergesehenen Änderung hat die Mitteilung unverzüglich zu erfolgen (§ 21 Abs. 1 S. 1 GenTG).
- bei einer beabsichtigten Betriebseinstellung: Die beabsichtigte Betriebseinstellung ist unverzüglich mitzuteilen (§ 21 Abs. 1 Abs. 1 GenTG).
Dabei ist der Begriff „unverzüglich“ im GenTG gesetzlich nicht definiert. Eine gesetzliche Definition findet sich aber in § 21 Abs. 1 S. 1 BGB zur Anfechtungsfrist. Danach muss die Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen. Damit ist zumindest für die Abgabe einer Anfechtungserklärung eine Legaldefinition vorhanden. Nach Konkretisierung durch die Rechtsprechung bedeutet dies bei der Abgabe von Willenserklärungen, dass dem Handelnden im Rahmen der subjektiven Zumutbarkeit eine angemessene Überlegungsfrist zusteht. Eine Handlung ist im Sinne der Rechtsprechung des BGH auch dann „unverzüglich“ erfolgt, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird (vgl. BGH, Urt. v. 24.01.2008 - VII ZR 17/07 -, NJW 2008, 985 Rn. 18). Dabei sieht der BGH einen Zeitraum von zwei Wochen als Obergrenze für ein unverzügliches Handeln als angemessen (BGH, Urt. v. 25.02.1971 - VII ZR 181/69 -, NJW 1971, 891). Dementsprechend geht die Rechtsprechung bei der Abgabe von Willenserklärungen unter dem Begriff der Unverzüglichkeit also davon aus, dass eine Erklärung binnen 14 Tagen abgegeben werden muss. Soweit es also um Erklärungen geht (wie etwa Mitteilungen und Eingangsbestätigungen) wird man auch im Gentechnikrecht unter unverzüglich von einem Zeitfenster von 14 Tagen auszugehen haben.
Fraglich ist, ob dieses Zeitfenster auch dann gilt, wenn der Begriff im Zusammenhang mit einer Gefahrenabwehr steht, so etwa bei § 6 Abs. 1 S. 1 GenTG , wonach die Risikobewertung unverzüglich zu überarbeiten ist, wenn … Hier wird man bei der Auslegung eher auf die Grundsätze, die für das Polizei- und Ordnungsrecht, also das Gefahrenabwehrrecht entwickelt worden sind, abstellen müssen. So etwa bei der Unterrichtungspflicht im Polizeirecht nach in § 6 Abs. 1 S. 2 BPolG: „Ist dies nicht möglich, weil Gefahr im Verzug ist, sind die zuständigen Behörden über die getroffenen Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten.“ Hier wird unverzüglich eher im Sinne von sofort ausgelegt, da ein Zeitfenster im Sinne eines subjektiven angemessenen Prüf- und Überlegungselements im Zusammenhang mit Gefahrenabwehrmaßnahmen als subjektive Komponente nicht in Betracht kommt. Im Polizeirecht bedeutet unverzüglich, dass ein Umstand erkannt, verstanden wird und umgesetzt wird. Damit wird ein relativ enges Zeitfenster beschrieben, das jedenfalls nicht mehr mit Wochen oder dem Verstreichen von mehreren Tagen beschrieben werden kann. Da es auch im Falle der Änderung bei der Risikobewertung um eine Abschätzung einer Gefahr handelt, dürfte das in der Rechtsprechung generell angenommene Zeitfenster von 14 Tagen, das für Willenserklärungen gilt, so nicht gelten. Die Risikobewertung ist sicherlich in dem für die Gefahrenabwehr geltenden engeren Zeitfenster anlassbezogen zu überarbeiten.
Fazit: Der Begriff der „Unverzüglichkeit“ kann auch im GenTG als unbestimmter Rechtsbegriff nicht einheitlich ausgelegt werden.