Verwendung von prokaryotischen Umweltisolaten bei gentechnischen Arbeiten
Dr. Joachim Kremerskothen
Aktualisierte ZKBS-Stellungnahme zur Risikobewertung von prokaryotischen Umweltisolaten
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Die ZKBS benennt in ihrer aktualisierten Stellungnahme Kriterien und Untersuchungsmethoden für die Einstufung von Wildtypisolaten von Bakterien und Archaea aus Umweltproben in eine Risikogruppe. Diese Einstufung ist erforderlich, wenn Bakterien und Archaea als Spender- oder Empfängerorganismen bei gentechnischen Arbeiten verwendet werden sollen, ohne dass sie vorher eindeutig bis zur Spezies-Ebene identifiziert werden konnten. Grundsätzlich gilt, dass Umweltisolate zunächst durch Einsatz moderner biochemischer und molekularbiologischer bzw. taxonomischer Methoden zuverlässig charakterisiert werden sollten. Ergeben diese taxonomischen Untersuchungen jedoch keine eindeutige Zuordnung zu einer bereits bekannten Spezies, so sollen die in der Stellungnahme beschriebenen Grundsätze und Verfahren angewandt werden. Die detaillierte Untersuchung eines Umweltisolates kann dann entbehrlich sein, wenn die taxonomischen und physiologischen Untersuchungen seine Zuordnung zu bestimmten größeren taxonomischen Einheiten, Stoffwechseltypen oder der Mikroflora von Extremstandorten erlauben, die aufgrund bestimmter Charakteristika nur Organismen der Risikogruppe 1 enthalten. Dies ist z.B. bei acidophilen, alkaliphilen, psychrophilen und thermophilen sowie autotrophen Prokaryoten der Fall. Archaea wurden bis vor Kurzem generell als apathogen betrachtet. Inzwischen gibt es jedoch Hinweise darauf, dass Methanobrevibacter oralis an opportunistischen Infektionen des Menschen beteiligt sein könnte. Daher wurde M. oralis von der ZKBS vorsorglich der Risikogruppe 2 zugeordnet (Az. 45241.0223, September 2021). Kriterien der Risikobewertung
- Herkunft des Isolates Wenn ein für den Mikroorganismus typischer Standort durch extreme Lebensbedingungen gekennzeichnet ist (z.B. hohen Salzgehalt oder hohe Temperaturen), so ist nicht von einer Pathogenität für Mensch oder Tier auszugehen.
- Wachstumsbedingungen Isolate, die sich nur unter 25 °C oder nur über 42 °C vermehren, sind in der Regel als apathogen für den Menschen zu betrachten; das Gleiche gilt, wenn der pH-Wert im Nährmedium für die Vermehrung unter 5,5 bzw. über 8,5 liegen muss.
- Nährstoffansprüche Organismen, die auf komplexen Medien nur sehr schwach oder überhaupt nicht wachsen, sind meist als Krankheitserreger auszuschließen.
Die unter 1.-3. genannten Kriterien können bereits ausreichen, um eine Risikobewertung eines Isolates unklarer taxonomischer Stellung durchzuführen. Häufiger werden jedoch weitergehende Untersuchungen zur Ermittlung des pathogenen Potentials eines neuen Isolates notwendig sein. Dazu können gehören: 4. Tierversuche Zur Abschätzung eines pathogenen Potentials können Tierexperimente durchgeführt werden, mit denen z. B. die Letale Dosis 50 (LD50) im Mausmodell ermittelt wird. 5. Zytotoxizitäts-Untersuchungen Durch Inkubation von etablierten eukaryoten Zelllinien mit Kulturüberständen oder Kulturfiltraten kann eine mögliche Zytotoxizität oder auch ein zytopathischer Effekt von Umweltisolaten überprüft werden. 6. Adhäsions-Versuche In Ko-Kulturversuchen kann getestet werden, ob ein Isolat Adhäsine bildet und darüber eukaryote Zellen kolonisieren kann.
Nach den oben aufgeführten Kriterien besitzen Umweltisolate aus extremophilen, halophilen oder autotrophen Organismengruppen kein Gefährdungspotenzial. Isolate, die keiner bekannten Spezies zugeordnet werden können und zu diesen Organismengruppen gehören, können bei gentechnischen Arbeiten als Spender- oder Empfängerorganismen der Risikogruppe 1verwendet werden, ohne dass sie zuvor von der ZKBS in eine Risikogruppe eingestuft wurden. Die Risikogruppenzuordnung eines Isolats, das weder einer bekannten Spezies zugeordnet werden kann noch zu den extremophilen, halophilen oder autotrophen Organismengruppen gehört, ist eine Einzelfallentscheidung. Diese ist vor Verwendung der Organismen als Spender- oder Empfängerorganismen bei gentechnischen Arbeiten durch die ZKBS vorzunehmen.
**Hinweis: ** Bei der Einstufung von Prokaryoten mit phytopathogenem Potential ist zudem die Stellungnahme der ZKBS zu Kriterien der Bewertung und der Einstufung von Pflanzenviren, phytopathogenen Pilzen und phytopathogenen Bakterien als Spender- und Empfängerorganismen für gentechnische Arbeiten (Az. 6790-10-53) zu beachten.
Die aktualisierte ZKBS Stellungnahme kann unter dem Aktenzeichen Az. 6790-10-43 abgerufen werden.