Risikobewertung des XMR-Virus sowie XMRV-infizierter Zelllinien

Dr. Joachim Kremerskothen

Die ZKBS hat bereits im April 2022 eine aktualisierte Risikobewertung des xenotropic murine leukemia virus-related virus (XMRV) und der Zelllinien 22Rv1 und CWR-R1 veröffentlicht.

Im Jahr 2006 wurden bei der Untersuchung von humanen Prostatakarzinomen ein neues Gammaretrovirus entdeckt, welches aufgrund seiner Ähnlichkeit zu xenotropen murinen Gammaretroviren als xenotropic murine leukemia virus-related virus (XMRV) benannt wurde. Der zunächst postulierte Zusammenhang zwischen einer XMRV-Infektion und der Entstehung von Prostatakrebs bzw. dem chronic fatigue syndrome (auch myalgische Enzephalomyelitis, ME/CFS) konnte zwischenzeitlich entkräftet werden. Gegenwärtig gibt es keine gesicherten Belege für eine Korrelation zwischen einer XMRV-Infektion und einer Erkrankung bei Mensch oder Tier. XMRV ist ein behülltes Gammaretrovirus, dessen RNA-Genom vermutlich durch homologe Rekombination zwischen zwei endogenen murinen Gammaretroviren während der seriellen Passagierung eines humanen Prostatatumors in immunsupprimierten Labormäusen entstanden ist. Nur die Genome der späten Passagen des Tumors sowie die Genome der final aus diesen etablierten Zelllinien CWR22Rv1 (22Rv1) und CWR-R1 enthalten Kopien des XMRV-Provirus. Zellkulturexperimente belegen, dass XMRV humane Epithelzellen, z.B. der Prostata und der Niere, sowie Lymphozyten infizieren kann. In Tierversuchen konnten Makaken mit XMRV infiziert werden. Die infizierten Tiere zeigten jedoch nur eine kurzzeitige Virämie und keine Zeichen einer Erkrankung.

In der TRBA 462 „Einstufung von Viren in Risikogruppen“ ist XMRV der Risikogruppe 1 mit dem Zusatz „t21“ (Wirbeltierpathogen) zugeordnet. In der TRBA 468 „Liste der Zelllinien und Tätigkeiten mit Zellkulturen“ ist die Zelllinie 22Rv1 der Risikogruppe 1 zugeordnet.

Nach § 5 Abs. 1 GenTSV i.V.m. den Kriterien im Anlage 1 GenTSV stuft die ZKBS in ihrer Stellungnahme vom April 2022 XMRV sowie die Zelllinien 22Rv1 und CWR-R1 als Spender- und Empfängerorganismen für gentechnische Arbeiten in die Risikogruppe 2 ein. In der Begründung heißt es, dass es sich bei XMRV um ein exogenes murines Gammaretrovirus handelt, welches humane Zellen und Makaken infizieren kann. Beim Durchlaufen des viralen Replikationszyklus wird virale cDNA in das Genom von infizierten Zellen integriert, wobei eine Insertionsmutagenese nicht ausgeschlossen werden kann. Die Zelllinie 22Rv1 gibt infektiöse, replikationskompetente XMRV-Partikel ab und auch für CWR-R1 ist dies nicht auszuschließen. Die XMRV-Partikel bestimmen somit das Gefährdungspotenzial dieser Zelllinien.

Die ZKBS Stellungnahme kann unter dem Aktenzeichen 6790-05-04-0042 abgerufen werden.

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